Ich möchte
Stellung nehmen zu ihrem Artikel „Diagnose 'Schwank'“.
Als Mensch
und als Feministin, ist mir
bewusst, dass jede schwangere Person diesen Zustand vollkommen
unterschiedlich erlebt. Auch kann derselbe Mensch mit jeder weiteren
Schwangerschaft vollkommen andere Erfahrungen machen. Ich halte es
für ein besonderes Gut unserer Gesellschaft, dass dieser Zustand
nicht als Krankheit, aber als hochgradig individuelle und
schützenswerte Lebensphase gilt. Urteile darüber, wie
leistungsfähig ein Mensch sich in dieser Lebensphase empfindet,
basierend auf der eigenen persönlichen Erfahrung auch Kinder
bekommen zu haben, halte ich für unreif und sprechen für einen
Mangel an Lebenserfahrung.
Aufgrund der
vorliegenden Statistik nun zu mutmaßen, eine steigende Zahl von
Frauen, würde das Bestehen einer Schwangerschaft nutzen, um nicht
mehr im Schuldienst arbeiten zu müssen, weil, kein Bock, lieber
Wellness, zu empfindlich, völlig verweichlicht … Für eine
derartige Deutung gibt es nicht ansatzweise Belege. Das Gegenteil ist
der Fall. Leider ziehen Sie in ihrem Artikel nicht die richtigen
Schlüsse, sondern schildern ein Problem, welches aus der
Rationalität der Funktionssysteme entsteht (Lehrermangel und
Aufgabenverdichtung) und machen daraus ein individuelles, nämlich
das der schwangeren Frauen.
Außerdem
möchte ich Sie auf den Artikel der Titelseite derselben Zeitausgabe
verweisen. Dort wird vom „Rekord“ - Lehrermangel berichtet.
Dieses Phänomen hat logischerweise eine Rekord –
Aufgabenverdichtung zur Folge. Schulleitungen aller Orten werden
Ihnen bestätigen, dass sie gehäuft mit Belastungsanzeigen aus den
Kollegien konfrontiert sind. Der Arbeitsalltag der Lehrkräfte hat
sich in den letzten Jahren verändert. Es ist ignorant, zu behaupten,
die Lehrerinnen seien möglicherweise empfindsamer und weniger
einsatzbereit als früher. Sie leisten doch bereits viel mehr als
früher!
Im
städtischen Raum hat an den Schulen oft bereits ein
Generationswechsel stattgefunden. Das heißt, vor kurzem war der
Altersdurchschnitt kurz vor der Pension und jetzt sind alle im
passenden Alter Familien zu gründen. Das führt dazu, dass z. B. 16
von 60 Lehrkräften (so geschehen im Schuljahr 2014/15; MBS Hamburg)
in einem Schuljahr eine Schwangerschaft anzeigen. Das ist das
Resultat einer personalpolitischen Fehlplanung und letztendlich
leiden darunter die Lehrkräfte, die den Mangel irgendwie ausgleichen
sollen und im Endeffekt die Schülerinnen und Schüler, denen es an
Kontinuität fehlt.
Statt den
Finger in die Wunde zu legen, monieren Sie, dass ja nun auch die
Lehrer in Elternzeit gehen. Unter welchem Stein sind Sie denn
hervorgekrochen? Wer, wenn nicht die Pädagogen, soll mutig voran
gehen und ein emanzipiertes Leben führen? Ist Ihnen bewusst, dass
die Menschen, die ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder gar
unterbrechen, um Fürsorge für andere (Kinder, Senioren,
Entwicklungshilfe) oder sich selbst (Sabbaticals) zu übernehmen, die
Stützen unserer Gesellschaft sind?
Verlässliche
Ganztagsschulen in denen Lehrkräfte den ganzen Tag verlässlich
unterrichten und beaufsichtigen – natürlich größtenteils ohne
angemessene Ruheräume für SchülerInnen und Lehrkräfte, ohne
Liegemöglichkeiten - dafür aber mit Aufsichten beim Mittagessen und
Arbeits- und Planungstätigkeiten, Konferenzen, Förder- und
Forderplänen, Gesprächen, Gesprächen und noch mehr Vertretungen.
Hinzu kommt
der dokumentierte und in den Medien breit diskutierte Anstieg von
gewalttätigen Übergriffen gegen Lehrer und Lehrerinnen. Kein Wort
darüber in ihrem Artikel?
Es ist nicht
auf die Schwäche des Indiviuums zurückzuführen, dass es vermehrt
zu diesen Krankschreibungen in der Schwangerschaft kommt. Es gibt
ganz deutliche Indikatoren dafür, dass die Belastungen objektiv
gestiegen sind.
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